Operationen
(Van Hoof, Vandewalle, Verschaffel & Van Dooren, 2015)
Die vierte Fehlvorstellung, die für natürliche Zahlen zwar korrekt ist, aber zu Problemen bei der Bruchrechnung führt, ist, dass Multiplizieren immer vergrößert (und Dividieren immer verkleinert) und – damit eng verwandt – dass Multiplikation als wiederholte Addition interpretiert werden kann. Sogar Schülerinnen und Schüler der zehnten und zwölften Klasse konnten Aufgaben häufiger richtig beantworten, wenn diese zu diesen Fehlvorstellungen passten (Van Hoof, Vandewalle, Verschaffel & Van Dooren, 2015) – wenn also die Fehlvorstellung zum richtigen Ergebnis führt. Solche Aufgaben werden kongruent genannt.
Der mathematische Grund, aus dem diese Anschauung nicht verwendet werden kann, ist, dass Brüche – insbesondere Stammbrüche – per Definition das (multiplikativ) Inverse von ganzen Zahlen darstellen: So beschreibt der Bruch $\frac{2}{5}$ die Lösung der Gleichung $5\cdot x = 2$; eine Gleichung, die in den ganzen Zahlen nicht lösbar ist.
Diese Art und Weise, Brüche an sich und auch deren Notwendigkeit über das Lösen von Gleichungen einzuführen, kann und wird für andere Zahlenbereichserweiterungen verwendet. So können
- negative ganze Zahlen aus den natürlichen Zahlen gewonnen werden, indem eine Gleichung wie $x + 5 = 1$ gelöst wird,
- algebraische (und damit reelle, nicht-rationale) Zahlen wie etwa $\sqrt{2}$ über Gleichungen der Art $x^2 = 2$ und
- komplexe Zahlen schließlich über $x^2 = -1$.
Diese neuen Arten von Zahlen explizit als etwas einzuführen, das mehr kann als die bisher bekannten Zahlen und deswegen inhärent anders sind, kann helfen zu vermitteln, warum die bekannten Rechenregeln und Vorstellungen nun nicht mehr gelten können. Um allerdings ein gutes Grundverständnis von Brüchen und Bruchzahlen zu bekommen, reicht es nicht aus, nur zu wissen, dass sie anders funktionieren als natürliche Zahlen. Wichtig ist auch, zu verstehen, welche geometrischen und anschaulichen Bedeutungen die unterschiedlichen Operationen und Darstellungen haben und wie Relationen zwischen Brüchen die Arbeit mit ihnen beeinflussen. Um diese geometrischen und anschaulichen Sichtweisen geht es nun im folgenden Abschnitt.