Selbstbestimmungstheorie
(Deci & Ryan, 1993, 2002; Krapp et al., 2002, 2014)
Die Selbstbestimmungstheorie von Deci und Ryan (1993, 2002) wird im Rahmen des nun folgenden Videotutorials erläutert.
Eine Zusammenfassung der Inhalte des Videotutorials stellen wir Ihnen im dazugehörigen Handout (siehe Link „Modulmaterialien herunterladen“ unterhalb der Zeitleiste des Videoplayers) bereit. Zudem erfolgt unterhalb des Videotutorials auch noch eine ausführlichere textbasierte Beschreibung der Selbstbestimmungstheorie.
Im nachfolgenden Videotutorial wird das generische Maskulinum verwendet. Es wird an dieser Stelle darauf hingewiesen, dass diese Formulierungen gleichermaßen weibliche und männliche Personen umfassen.
Das Handout zum Videotutorial: Download
Kurzzusammenfassung
Die Selbstbestimmungstheorie (Self-Determination Theory, abgekürzt: SDT) von Deci und Ryan (1993) beschäftigt sich mit dem sogenannten selbstbestimmten oder autonomen Handeln im Rahmen einer Lernhandlung. Gemäß der SDT ist selbstbestimmtes Handeln eine Grundvoraussetzung für motiviertes Handeln.
Im Zentrum der Theorie steht das individuelle Selbst als zentrale Steuerungseinheit für selbstbestimmtes Handeln. Das individuelle Selbst beschreibt diejenigen Komponenten, mit denen sich eine Person relativ dauerhaft persönlich identifiziert, also z. B. die persönlichen Ziele, Interessen und Kompetenzeinschätzungen einer Person.
Je tiefgründiger ein Handlungsziel, z. B. eine gute Note in Mathematik oder das Erledigen einer bestimmten Aufgabe im individuellen Selbst verankert ist oder je größer die Schnittmenge zwischen Handlungsziel und individuellem Selbst von Haus aus ist, desto höher ist die Wahrscheinlichkeit, dass die damit verbundenen Handlungen als selbstbestimmt und in diesem Sinne als intrinsisch motiviert wahrgenommen werden. Das heißt, die SDT nimmt unterschiedliche Motive für die Handlung an und eine Handlung wird nicht mehr nur aufgrund der dahinterliegenden Folgen beziehungsweise Ziele ausgeführt, sondern auch aufgrund der Handlung selbst. Folglich unterscheidet die SDT zwischen verschiedenen Ausprägungen beziehungsweise Formen fremd- und selbstbestimmter Motivation. Grob wird dabei zwischen intrinsischer und extrinsischer Motivation unterschieden.
Was genau der Unterschied zwischen einer extrinsischen und einer intrinsischen Motivation ist, wird Ihnen im folgenden Videotutorial ab 03.54 min erläutert.
Selbstbestimmtes Handeln und intrinsische Motivation gehen also wie obig erläutert Hand in Hand und bedingen einander.
Bei der extrinsischen Motivation hingegen (extrinsisch motivierte Handlungen werden vor allem durch handlungsexterne Faktoren bestimmt, z. B. Belohnung Noten, Bestrafung, …) haben das jeweilige Handlungsziel und das individuelle Selbst des Lernenden keine gemeinsame Schnittmenge und es muss im Optimalfall dafür gesorgt werden, dass sich der Lernende mit den von außen an ihn herangetragenen Zielen identifiziert oder sie bestenfalls in sein individuelles Selbst integriert, damit er sich als selbstbestimmt wahrnehmen kann und in der Folge nachhaltiger und selbstbestimmt motiviert ist. Doch wie kann dies gewährleistet werden?
Nach Ansicht der SDT spielen hier die drei sogenannten grundlegenden psychologischen Bedürfnisse oder Basic Needs eine zentrale Rolle. Sie sind also wichtige Einflussfaktoren für die Entwicklung einer selbstbestimmten Lernmotivation. Zu den Basic Needs zählen Kompetenzerleben, Autonomie und soziale Eingebundenheit.
Im Kompetenzerleben kommt der Wunsch eines jeden zum Ausdruck, sich selbst als handlungsfähig zu erleben und wirksam wahrzunehmen. Gegebene Aufgaben und Anforderungen sollen also von selbst bewältigt werden können oder falls die eigenen Kompetenzen noch nicht ausreichend dafür sind, die noch fehlenden Kompetenzen auf jeden Fall aus eigener Kraft erwerben.
Das zweite psychologische Grundbedürfnis wird mit dem Begriff Autonomieerleben beschrieben. Dahinter versteckt sich das Bedürfnis eines jeden Menschen, Ziele und Vorgehensweisen des eigenen Tun nach Möglichkeit selbst zu bestimmen und zu steuern. Dies geht jedoch nicht so weit, dass die völlige Unabhängigkeit von anderen Personen angestrebt wird, sondern das Bedürfnis nach Autonomie ist eng an das Bedürfnis nach Kompetenzerleben gekoppelt. So möchte eine Person nur dort autonom handeln, wo sie sich auch als kompetent wahrnimmt.
Das Erleben sozialer Eingebundenheit gilt als drittes psychologisches Grundbedürfnis. Dieses beschreibt, dass jeder Mensch das Gefühl haben möchte, in seiner sozialen Umgebung akzeptiert und anerkannt zu sein. Der Wunsch nach Eingebundenheit basiert stets auf einer Identifikation mit bestimmten Personen oder Personengruppen z. B. anderen Lernenden, Freunden und Freundinnen, Familie etc. Streben nach sozialer Anerkennung ist ein wichtiger Antriebsmotor zur Erweiterung der individuellen Fähigkeiten, Einstellungen, Werthaltungen und Interessen.
In der Literatur werden die Basic Needs als Antriebsfaktoren bezeichnet, die ihre Wirkung in der Regel unterhalb der Bewusstseinsschwelle ausüben. Sie sind Teil eines weitgehend automatisiert ablaufenden psychischen Rückmeldesystems, welches dem Organismus kontinuierlich Signale über die Qualität der gegenwärtig ablaufenden Person-Umwelt-Interaktion liefert. Diese Rückmeldungen verbleiben im Hintergrund des Bewusstseins und erzeugen lediglich eine emotionale Gesamtbewertung des Handlungsgeschehens, was zu einem aktuellen Zuwendungs- oder Vermeidungsverhalten führt. Langfristig jedoch bilden diese Rückmeldungen die Grundlage für die Herausbildung gegenstandsspezifischer Präferenzen oder Aversionen (z. B. Interesse oder Desinteresse für ein bestimmtes Schulfach). Nähere Informationen hierzu finden sich im Kapitel Pädagogisch-Psychologische Interessenstheorie.
Zusammenfassung
Die Selbstbestimmungstheorie geht davon aus, dass selbstbestimmtes Handeln eine Grundvoraussetzung motivierten Handelns darstellt. Das Herzstück dieser Theorie bildet das individuelle Selbst. Hat dieses mit dem jeweiligen Handlungsziel eine große Schnittmenge, so wird eine Handlung als selbstbestimmt wahrgenommen und die Person ist intrinsisch motiviert.
Kann das jeweilig anstehende Handlungsziel nicht ins individuelle Selbst integriert werden, ist der Lernende nicht von sich aus motiviert. Lehrende können in diesem Fall versuchen, die Lernumgebung so zu gestalten, dass die für die Herausbildung von Selbstbestimmung maßgeblichen psychischen Prozesse angeregt werden, also die Basic Needs der Lernenden angesprochen werden.
Was genau als Lehrende zur Förderung der Basic Needs unternehmen können, erfahren Sie im Rahmen des Kapitels Praxistipps oder im obigen Videotutorial zur Selbstbestimmungstheorie:
Impulsfrage:
Sehen Sie sich die Szene 1: Erarbeitung der Bildungsgesetze von Quadratzahlen und den Ausschnitt der Szene 5: Arbeitsphase mit anschließender Besprechung an. Begründen Sie, ob sich im Hinblick auf die Selbstbestimmungstheorie motivationsförderliche und -hinderliche Verhaltensweisen der Lehrkraft beobachten lassen?